Biberacher Zeitgeschichte, mal humorvoll, mal lehrreich, aber auch mit einem Schuss Gesellschaftskritik hat das Theater ohne Namen mit seinem Stück „Liebherr — Kranenhans“ am Donnerstag auf die Bühne der Stadthalle gebracht. Vor ausverkauftem Haus spielte die Laientruppe die von Regisseur Peter Schmid geschriebene Bühnenfassung der Lebensgeschichte des Unternehmers Hans Liebherr.
Die Aufführung war Bestandteil der Heimattage Baden–Württemberg in Biberach. „Und was passt da besser als Hans Liebherr, der in Biberach den Startschuss zur Industrialisierung gab“, sagte Schmid in seinem Vorwort zum Publikum.
Hans Liebherr, der die Wirren des Zweiten Weltkriegs überlebt hat, ist zurück in der oberschwäbischen Heimat und hat, eingehüllt in seinen Zigarrendunst, die Vision seiner Kranfabrik in der aufkommenden Wirtschaftswunderzeit. „Es geht viel mehr, wenn ma sich voll neihängt und sich a Zeit lang vielleicht nix schenkt“, singt Hans–Peter Berger, der den Firmenpionier Liebherr überzeugend verkörpert — schaffig, bisweilen raubeinig, aber mit einem Herz für fleißige Mitarbeiter.
Mit diesen fährt er 1954 in einem Bus zum WM–Finale nach Bern. Die berühmte Radioreportage von Herbert Zimmermann lässt Stefan Döring auf der Bühne aufleben. In der oberschwäbischen Dorfwirtschaft und auf der Zuschauertribüne fiebern die Fans gleichermaßen mit und feiern den WM–Triumph. Und selbst das Publikum in der Stadthalle erlebt, dank zweier Wasser–Sprühflaschen, zumindest in den ersten Reihen echtes Fritz–Walter–Wetter. Untermalt wird das mit Großprojektionen von Fotos des 54er–Finales.
Zurück in Biberach wird Liebherr vom dortigen Bürgermeister Wilhelm Leger (herrlich überdreht gespielt von Oliver Schönberg) geradezu angebettelt, sein neues Kranwerk in der künftigen Hafenstadt Biberach anzusiedeln. Liebherr, ganz der schwäbische Geschäftsmann, handelt einen guten Preis für sich heraus. Das Kranwerk kommt — auf den Donau–Bodensee–Kanal wartet man in Biberach noch heute.
Während mit dem Kranwerk in Biberach Arbeitsplätze entstehen und der Wohlstand aufblüht, trauern die Störche (Pauline Billwiller, Susanne Pfender und Silke Zeh) sowie die Frösche (Josip Stipetic und Luise Schmid) um ihre Lebensgrundlage in den nun versiegelten Rißwiesen. Bezüge zu aktuellen Industriegebietsdebatten sind natürlich nicht zufällig.
Neben den großen unternehmerischen Entscheidungen wirft das Stück immer wieder einen humorvollen Blick auf das Leben der sogenannten kleinen Leute, etwa den Liebherr–Pförtner Schorsch (Manfred Fakler), der seinen Chef nicht kennt und ihn deshalb nicht ins Werk lassen will, für seine Dienstbeflissenheit nachher aber belohnt wird. Oder die wunderbar witzige Episode von Gastarbeiter Giovanni (Julius Billwiller) und seiner schwäbischen Liebschaft Rosa, die vom hart verdienten Liebherr–Geld des Geliebten so gerne einen Fernseher hätte, während er von einem Fiat Cinquecento träumt. Dazu gibt’s von den beiden Musikern Albert Bücheler und Peter Zoufal die passenden Schlager — Mittelmeersehnsucht inklusive.
Hans Liebherr, ganz der Tüftler, präsentiert seinem Binokel–Stammtisch (Willi Fritz, Johannes Köller und Thomas Miller) sein neuestes Produkt — einen Kühlschrank. „Meine Mitarbeiter sollen von ihrem Geld künftig Liebherr–Kühlschränke kaufen“, so der Plan. Und mit der attraktiven Markenbotschafterin Antarktika (Amina Stipetic), soll der Absatz Fahrt aufnehmen.
Nach seinem Tod erhält der Firmenpatriarch — „ein Chef von altem Schrot und Korn“ — sogar ein Denkmal. Und alle singen das Loblied auf den „Kranenhans“. Lediglich die Störche wollen nicht einstimmen und organisieren eine Demo.
Das Publikum dankt den Schauspielerinnen und Schauspielern mit viel Applaus für das kurzweilige, rund zweistündige Stück. Auffällig war die unbändige Spielfreude des Ensembles. Hervorzuheben auch die Requisiten, von Designer Jürgen Hinderhofer, die mitunter kleine Kunstwerke sind — allen voran die sprechenden Liebherr–Krane (Stefan Döring, Manfred Fakler, Johannes Köller und Luise Schmid). Für viele Biberacher sind die typisch gelben, stählernen Riesen seit rund 70 Jahren auch eine Form von Heimat.
Für die Aufführung des Stücks am Sonntag, 12. März, 18.30 Uhr, in der Lindenhalle in Ehingen gibt es noch Karten an der Abendkasse. Die Aufführung am 18. März in Ochsenhausen ist ausverkauft.