Ein EMS-Komplettdienstleister stieß aufgrund des kontinuierlichen Wachstums im THT-Fertigungsbereich an seine Kapazitätsgrenzen. Also musste ein neues Fertigungskonzept her. Wie das aussah.
Um als EMS-Dienstleister erfolgreich zu sein, ist nicht nur eine fehlerfreie Produktion nötig, sondern auch eine hohe Flexibilität in den Fertigungsabläufen. (Bild: Baudisch Electronic)
Baudisch Electronic zählt zu den EMS-Komplettdienstleistern mit eigenem EMV-Labor und fertigt sowohl Prototypen als auch Klein- und Großserien. Aufgrund des kontinuierlichen Wachstums stieß man 2020 man im THT-Fertigungsbereich an Kapazitätsgrenzen. Die vorhandene Selektiv-Lötanlage war voll ausgelastet. Zunächst wurde überlegt, diese durch ein größeres System zu ersetzen oder in eine zusätzliche Selektiv-Lötanlage bzw. in eine weitere Wellenlötanlage zu investieren. „Um auch weiterhin unseren Kunden eine hohe Flexibilität und kurze Durchlaufzeiten zu bieten war klar, dass wir unsere Produktionsanlagen erweitern müssen“, erläutert Matthias Lenz, Geschäftsführer von Baudisch Electronic und ergänzt: „Die Produktion sollte einerseits durch einen höheren Automatisierungsgrad noch effizienter werden. Darüber hinaus sollte uns eine neue THT-Fertigungslinie die Möglichkeit bieten, höhere Stückzahlen zu produzieren, gleichzeitig wollten wir aber auch schnell auf unterschiedliche Auftragsvolumen und Baugruppenlayouts reagieren können.“ Nach einer genauen Analyse des bisherigen Produktportfolios kristallisierte sich heraus, dass ein Wellenlötsystem den größten Nutzen bringt. „Wir sind selbst Komplettanbieter und kennen die Vorteile, wenn alles aus einer Hand kommt“, so Matthias Lenz. „Mit Seho Systems haben wir für unser Projekt den richtigen Partner gefunden. High-End-Wellenlötanlage, Bestückungsplätze und das vollständig automatisierte Werkstückträgerhandling, alles kommt aus einer Hand.“
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Das Anforderungsprofil für die neue THT-Fertigungslinie umfasste nicht nur die Kapazitätserweiterung und einen höheren Automatisierungsgrad. Die neue Produktionsanlage musste vor allem auch ein hohes Maß an Flexibilität bieten. Nicht nur das bereits vorhandene Produktportfolio sollte auf die neue Linie verlagert werden, gleichzeitig wollte man auch für zukünftige Fertigungsaufgaben aufgestellt sein. Ein weiteres wichtiges Kriterium waren die in der automatischen Linie integrierten Bestückplätze. Die Mitarbeiter:innen sollten sich an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen. Die ergonomische Gestaltung der Bestückungstische mit Ablageflächen und unkomplizierten Greifwegen sowie die Möglichkeit, jeden Platz in der Höhe einfach und flexibel an die jeweilige Bedienperson anpassen zu können, war daher eine der Grundanforderungen. „Ein kritischer Punkt bei der Konzeption der neuen Fertigungslinie war das Platzangebot“, sagt Matthias Lenz. „Alle Anforderungen sowohl an die Leistung der Lötanlage als auch an das Handlingsystem mussten auf dem zur Verfügung stehenden Raum in der vorhandenen Produktionshalle untergebracht werden.“
In enger Abstimmung entwickelte Seho nun ein Fertigungskonzept, das alle Punkte aus dem Anforderungsprofil abdeckte. Flexibel sowohl im Hinblick auf Layout als auch auf Stückzahl der zu fertigenden Kundenprodukte, hohe Qualität, automatisiert mit kompletter Rückverfolgbarkeit der Prozessschritte und dennoch kompakt. Das Herzstück der Produktionslinie bildet die Stickstoff-Wellenlötanlage Seho Power Wave N2, die speziell für die Fertigung von mittleren und großen Serien entwickelt wurde. Die Anlage überzeugt vor dem Hintergrund eines ressourcenschonenden Umgangs mit Rohstoffen durch ihre Stickstofftechnologie und darüber hinaus mit niedrigen Verbrauchswerten und einem energieeffizienten geschlossenen Tunnelsystem. Im Fluxerbereich ist die Wellenlötanlage mit einem Sprühfluxer mit HVLP-Technologie (high volume – low pressure) ausgestattet. „Ein exakter Flussmittelauftrag, sowohl was die Flussmittelmenge als auch das Sprühbild angeht, ist im Wellenlötprozess entscheidend. Zu viel oder zu wenig Flussmittel kann Lötfehler verursachen und ungewollte Flussmittelrückstände können in einem schleichenden Prozess zu einer Einschränkung der Funktion oder Lebensdauer einer elektronischen Baugruppe führen“, erläutert Maik Dörr, Prozesstechniker im Bereich Wellenlöten bei Seho. Der HVLP-Sprühkopf sorgt zum einen für einen stabilen Sprühstrahl, zum anderen wird ein präzises Sprühbild, sogar in den Randbereichen, erzielt – ohne Übersprühen oder Rückstände auf der Leiterplatte nach dem Löten.
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Der Vorheizbereich kann auf einer Länge von 1.800 mm individuell konfiguriert und damit an jede Fertigungsanforderung angepasst werden. Die Anlage bei Baudisch Electronic ist in der ersten Vorheizzone mit einem Konvektionsmodul ausgestattet, das effektiv und bauteilschonend arbeitet. Konvektion im Vorheizprozess sorgt für eine gleichmäßige Durchwärmung der gesamten Baugruppe und eignet sich zudem für die Verarbeitung von wasserbasierten Flussmitteln. Damit ist der EMS-Dienstleister auch für die Fertigung von thermisch anspruchsvollen Baugruppen gut aufgestellt.
Der Lötbereich der Anlage ist so flexibel konzipiert, dass er für jede Aufgabe offen ist. Zwei moderne Lötdüsen-Geometrien, die automatische, programmbezogene Höheneinstellung der Düsen, die stabile Stickstoffatmosphäre und die programmierbare sektorielle Lötfunktion mit individuellen Parametern auf bis zu 16 Bereichen innerhalb einer Baugruppe sorgen für optimale Lötergebnisse und ein Maximum an Flexibilität. Selbstverständlich werden alle Prozessschritte automatisch überwacht.
Die größte Herausforderung der Gesamtlinie war die begrenzte Fläche. Eine Länge von nur 14 m stand zur Verfügung und die Linie sollte über mindestens zwei Bestückarbeitsplätze verfügen. Dank dem kreativen Handlingskonzept konnten sogar vier Arbeitsplätze integriert werden, die unabhängig voneinander individuell in der Höhe verstellbar sind. Jeweils zwei gegenüberliegende Bestückplätze und ein zentraler Zuführtransport zur Lötanlage sorgen nun für minimalen Platzbedarf. Ist eine Leiterplatte fertig bestückt, schiebt die Bedienperson den Werkstückträger nach rechts und gibt ihn per Taster für den Lötprozess frei. Eine automatische Höhen-Angleichstation holt den Werkstückträger selbstständig ab, sobald eine Position im Zuführtransport zur Lötanlage frei ist. Nach dem Lötprozess wird der Werkstückträger unterhalb der Lötanlage in einem Kühltunnel, der die Baugruppe je nach Masse auf rund 40 Grad abkühlt, zurückgeführt. In einer Liftstation wird der Werkstückträger wieder auf die Bestücktransportebene angehoben und in einer weiteren Höhenangleichstation an die jeweilige Arbeitsplatzhöhe angepasst, bevor er dort automatisch ausgeschleust wird. An den vier Arbeitsplätzen lassen sich unterschiedliche Baugruppen bestücken oder, bei großen Fertigungsserien, auch gleiche Produkte. Die Werkstückträger werden über RFID-Technologie automatisch innerhalb der Fertigungslinie gesteuert, inklusive der automatischen Umstellung des Lötprogramms, wenn die Arbeitsplätze für die Fertigung von unterschiedlichen Produkten genutzt werden.
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„Bei der Umstellung unserer Prozesse auf die neue Linie gab es noch einige Hürden, die wir überwinden mussten“, berichtet Matthias Lenz. Während der Installation der neuen Linie durfte die Produktion an der vorhandenen Anlage nicht unterbrochen werden, da Kundenaufträge fristgerecht abgearbeitet werden sollten. Die Bestückabläufe mussten angepasst werden und Mitarbeitende wurden intensiv geschult. Auch der Lötprozess selbst wurde produktabhängig umgestellt, indem bislang selektiv gelötete Baugruppen mit speziell designten Lötmasken auf die neue Wellenlötanlage transferiert wurden.
Zwischenzeitlich wird bei Baudisch Electronic vom Renner-Produkt bis zu kleinen Losen im 2-Schicht-Betrieb auf der THT-Linie produziert. Die Kapazität und Effizienz im THT Fertigungsbereich wurde deutlich gesteigert, was an den schon vorher gefertigten Produkten, die auf die neue Linie verlagert wurden, direkt messbar ist, und die Mitarbeitenden freuen sich über die verbesserten Arbeitsplatzbedingungen. „Alle Prozesse laufen wesentlich effizienter ab, was in erster Linie am höheren Automatisierungsgrad liegt. Davon profitieren auch direkt unsere Kunden, indem Produktionsmengen kurzfristig erhöht werden können und insgesamt die Durchlaufzeit im THT-Prozess reduziert wurde“, resümiert Matthias Lenz das umgesetzte Projekt.
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